Um gleich die Diskussion über China oder Italien als Ursprungsländer der Nudel abzuhandeln: Es waren vor allem die Araber, die ab dem 9. Jahrhundert dieses Lebensmittel in Sizilien etablierten und dort sogar ‚industriell‘ gefertigte, getrocknete Pasta einführten, die nicht zuhause hergestellt wurde.
Trotz Garibaldis Weitsicht sollte es aber noch rund 100 Jahre dauern, bis Pasta wirklich in ganz Italien zu einer eigenen Küchenidentität führte und zum Signature dish wurde, sowohl im Land selbst als auch aus internationaler Sicht.
Erst das Wirtschaftswunder in Italien machte es möglich, dass sich die meisten Familien zum Essen kaufen konnten, worauf sie Appetit hatten, und Pasta wurde zum Synonym des Wohlstands. Von Nord bis Süd wurde sie als Primo piatto, als erster Gang, selbstverständlich.
In den 50er Jahren war der eindrucksvollste Satz zur Pastakultur der von Sophia Loren: „Alles was Sie sehen, verdanke ich Spaghetti.“
Dazu kam, dass Italiener, die aus wirtschaftlichen Gründen auswanderten, insbesondere in den USA als Pastaesser wahrgenommen wurden. Populärstes Gericht, wenn sie ein Restaurant eröffneten, waren Spaghetti with meat balls. So verbanden auch diese Italiener ihre Heimat mit Pasta und übrigens auch Pizza, die dadurch erst außerhalb Neapels bekannt und geliebt wurde. Die Rückkehrer nach Italien waren ebenfalls stark auf diese beiden Spezialitäten eingeschworen und verbreiteten sie in Italien.
Seit dem Spätmittelalter wurde Pasta in vielen Regionen Italiens gegessen, aber nicht als Gericht wahrgenommen, sondern eher wie eine Form von Brot. Es entwickelten sich unabhängig voneinander viele Nudelformen und lokale Namen, die oft sehr bildhaft sind:
Conchiglie, die Muschelschalen; Farfalle, die Schmetterlinge; Vermicelli, die Würmchen; Penne, die Federkiele; Malfatti, ‚schlecht gemacht‘ oder Tortellini, die kleinen Törtchen…
Heute kann man immer noch unterscheiden zwischen den nördlichen Regionen, in denen man bevorzugt flache Bandnudeln isst, und röhrenförmigen Nudelformaten ab den Abruzzen südwärts. Der Norden bevorzugt Eierpasta aus Weichweizenmehl, auch gern frische; im Süden ist es getrocknete Pasta aus Hartweizengrieß und Wasser.
Kartenabbildungen in Anlehnung an: Die Gourmet-Bibel Italien: Absolut alles über die italienische Küche – von François-Régis Gaudry
Das bekannteste Missverständnis von Nichtitalienern in diesem Kosmos sind Spaghetti Bolognese. Das Rezept stammt natürlich aus Bologna, heißt dort aber Tagliatelle al ragù. Es wird mit flachen Eierbandnudeln und einer lang geschmorten Sauce ohne Tomaten gegessen, heute mit einem Spritzer Tomatenmark. Flach und breit sind die Nudeln, weil die stückige Sauce daran haften soll.
Das Gegenstück ist Aglio, olio e peperoncino aus Kampanien. Zu Olivenöl mit Peperoncino und Knoblauch passen Spaghetti hervorragend. Da kann sich das Öl an die Nudel schmiegen. Dieses Rezept ist sehr beliebt als mitternächtlicher Imbiss unter Freunden zum Abschluss eines langen Abends, die sogenannte Spaghettata. Auch die einfache Tomatensauce hat es mit Spaghetti leicht. Die Kombination wird erst 1839 das erste Mal schriftlich erwähnt.
Ravioli del Plin mit gebackenem Ricotta
Ravioli aus Ligurien, Agnolotti und Ravioli del Plin aus dem Piemont, Tortellini und Cappelletti aus der Emilia sind raffinierte Gabelhappen oder, wie die Cappelletti, Suppeneinlagen. Sie werden mit den beliebten Gemüsen und Fleisch der jeweiligen Region gefüllt. In Ligurien sind es Kräuter und grüne Gemüse, im Piemont und in der Emilia gern Fleisch.
Trofie al pesto – Trofie mit Pesto
Für einige Rezepte haben sich feste Paare von Pasta und Saucen gefunden, hier ein paar Beispiele:
• Trofie al pesto – Trofie mit Pesto
• Parpadelle mit Wildschwein-Sugo
• Paccheri an Fisch-Sugo
• Orecchiette mit wildem Stängelkohl
• Bigoli an Sugo mit Sardellen
• Penne all'arrabbiata
Die flachen Eiernudeln des Nordens harmonieren mit Butter, die Hartweizenpasta des Südens mit Olivenöl. Kurze Röhrennudeln eignen sich für stückige, gehaltvolle Saucen, lange Formate wiederum für feinere und cremige Sughi und als Hartweizenpasta für Fisch und Meeresfrüchte.