Gelegen zwischen silbrig schimmernden Olivenhainen und den sanften Wellen des Mittelmeers, erzählt der Schauplatz unserer Reise eine Geschichte von Familie und Identität, Qualität, Verpflichtungen und Muße.
Gianni und Luca Calvi, in vierter Generation Olivenöl-Händler, -Hersteller und Bauern des Traditionsunternehmens Olio Calvi stehen am Treppenabsatz der alten Villa Calvi. Von drinnen ertönt lautes Klappern und Klirren, Blanca, die sizilianische Mischlingshündin, rennt durch den Garten, ein Gabelstapler surrt über den Hof und die Sonne scheint träge über dem Giebel – eine typische Szenerie an einem typischen Dienstag in Oneglia. Hier, im östlich gelegenen, moderneren Stadtteil Imperias, ist zum einen der Wirtschaftshafen und zum anderen Standort der Lebensmittelproduktion der Provinzhauptstadt. Reich an Historie liegt ihr Ursprung im Mittelalter. Eine Art Konglomerat der elf umliegenden Dörfer und Gemeinden und die Vereinigung von Oneglia und Porto Maurizio prägen diesen Ort nicht nur in seiner Infrastruktur, auch die Ligurer selbst sind ein besonderer Schlag Mensch, wie wir im Laufe unserer vielen Besuche in dieser Region immer wieder feststellen dürfen. Es mag die hügelig verschlungene Landschaft sein oder die wohl mühseligste Art Oliven zu ernten, die wir uns vorstellen können (nicht umsonst nennen manche Bauern ihre Haine auch Italiens Machu Picchu), auf jeden Fall ist eine Produzentenreise hierher stets etwas außergewöhnlich Schönes für uns.
Dieses Mal sind wir zu einem unserer ältesten Handelspartner gereist. Das Mosto Oro von Olio Calvi ist für uns ein Olivenöl, das unverändert grandios ist. Man kann es einen Viani-Veteranen nennen, denn in seinem fein ausbalancierten Geschmack lässt sich nicht nur die alte Heimat des Firmengründers schmecken, es erzählt auch eine besondere Familiengeschichte und gehört zu den ersten Produkten, die Antonio Viani nach Deutschland importierte.
Beim Mosto Oro handelt es sich um eine erlesene Cuvée spät geernteter Taggiasca Oliven, der autochthonen Sorte Liguriens. Frisches Gras, Zitrusaromen und florale Noten schmeicheln hierbei der Nase. Am Gaumen findet sich eine feine Süße, Zimt, Vanille und ein wenig grüner Apfel. Seit bald einem Vierteljahrhundert verfeinert dieses milde, harmonische Öl Gerichte vom heimischen Küchentisch bis zur Sterneküche. Es ist ebenjene Balance zwischen ligurischer Milde und feiner, nachhaltiger Frucht, für die Giovanni Calvi Senior berühmt geworden ist.
Gianni Junior erklärt uns den internationalen Erfolg Olio Calvis damit, dass die meisten Menschen, die mit Olivenöl zu tun haben, stets nach einem Weg suchen, ein akzeptables Produkt zu möglichst geringen Kosten zu verkaufen. Der Vater jedoch sei anders gewesen, leidenschaftlicher. Er habe nicht einfach nur das anbieten wollen, wonach die Leute fragten, sondern etwas kreieren wollen, von dem die Menschen wahrscheinlich nicht einmal wussten, dass sie es brauchten: schlicht eben jenes besondere Olivenöl, das er selbst so liebte. Geholfen hat ihm bei dieser Mission mit Sicherheit auch der Fakt, dass er bis heute als einer der besten Verkoster seiner Zunft anerkannt ist. Der Weg dorthin war lang und auch nicht immer geradlinig. Ursprünglich hatte Gianni Senior vorgehabt, Mediziner zu werden. Doch als sein Vater Giuseppe krankheitsbedingt um Hilfe bat, änderte er (zu unserem Glück) seine berufliche Laufbahn.
1919, gerade aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, beschloss der junge Giuseppe Calvi, sich mit dem Handel von Olivenöl zu beschäftigen und nachdem er zunächst zwei Jahre für und mit anderen arbeitete, gründete er 1921 die "Fratelli Calvi“. Das Unternehmen spezialisierte sich auf die Flaschenabfüllung und den Export von Olivenölen in die benachbarten Regionen Piemont und Lombardei. Geschäftsmann und Romantiker im Herzen erkannte Giuseppe bald die starke Nachfrage nach heimischen Olivenölen italienischer Einwanderer in den USA und Südamerika. Aus den Flaschen wurden Dosen und das ikonische Design war geboren.
region
ligurien
ort
Oneglia
Um zu begreifen, warum Imperia in Ligurien so ein wichtiger Knotenpunkt für die Olivenölherstellung und den Handel ist, muss man wissen, dass sich die Geschäftswelt, wie wir sie heute aus dieser Region kennen, erst vor etwa 40 bis 50 Jahren entwickelt hat. Zuvor war es so, dass die Ölmüller keinen direkten Vertrieb besaßen, der Aufwand stand nicht im Verhältnis zum Ertrag, schlichtweg durch die beschwerliche Vegetation und Infrastruktur Liguriens.