Als ich Anfang Oktober in Sizilien ankomme, regnet es in Strömen, auch an diesem Tag. Für die Olivenernte ist das problematisch, da die Früchte in den Matsch fallen würden und schwer zu reinigen sind. Dario Ficara, Sohn der Gründer der Tenuta Cavasecca im Südosten Siziliens, fährt mit mir von Siracusa durch immer ländlichere Gegenden bis zur einsam liegenden Tenuta. Dort scheint die Sonne und die Ernte ist in vollem Gange. Hätte es geregnet, hätte er sie sofort gestoppt. Aber auf Cavasecca, steinig und trocken wie der Name sagt, regnet es selten.
Eine neue Generation
Dario Ficara gehört zur neuen Generation der Olivenölproduzenten in Sizilien. Er ist Quereinsteiger, hat an der Bocconi in Mailand Betriebswirtschaftslehre studiert und sich entschlossen, statt einer Karriere in der Wirtschaft die eines Olivenbauers zu beginnen. Er liebt es mit den Händen zu arbeiten und am Ende des Tages zu schmecken und zu sehen was man geschafft hat. Seine Eltern hatten aus Verbundenheit mit der Herkunftsregion des Vaters die Olivenhaine und eine verfallene Tenuta gekauft und sie restauriert. So waren die Voraussetzungen geschaffen, dass ihr Sohn mit seiner guten Ausbildung, seinen internationalen Erfahrungen und seinen eigenen Ideen das alles in einer ausgesuchten Nische umsetzen kann. Die Spannung zwischen der Liebe zum Land und der bäuerlichen Kultur, Offenheit, Neugierde und leidenschaftlichem Detailbewusstsein auf der Zielgraden wird meine Erfahrung mit Dario in den kommenden Tagen ausmachen. Dazu kommt seine großzügige Gastfreundschaft und die seiner Freundin Sebiana. Gemeinsam führen sie in Siracusa ein Bed & Breakfast, das Dimora Archimedea. Sebiana betreut außerdem die Social Media Auftritte und das Marketing von Cavasecca in Foto und Text. Die beiden pflegen intensive Kontakte zu Lebensmittelproduzenten und Gastronomen der Region und tauschen sich untereinander aus, alle mit dem gleichen Ziel, diesen Teil von Sizilien lebenswerter und sichtbar zu machen.
region
sizilien
ort
noto, siracusa
Hier fängt Qualität an
Mit dem Erntezeitpunkt fängt schon die Qualitätsselektion an. Je grüner, also unreifer die Oliven, desto besser wird das Öl, aber auch die Ausbeute geringer.
Deshalb findet die Ernte der Siracusana im Herbst 2021 so früh statt. Der Sommer war heiß, schon im Mai waren die Temperaturen so hoch, dass viele ihrer Blüten verbrannt sind. Ich kann jetzt, am 11. Oktober, und an den drei darauffolgenden Tagen die Erntehelfer dabei beobachten und auch selbst probieren, wie sie mit kleinen Rüttelmaschinen arbeiten, die sehr behutsam die einzelnen Oliven von den Bäumen holen.
Angeleitet werden sie von Gabriele, dem langjährigen, treuen Mitarbeiter der Tenuta, den Dario schon seit Jugendzeiten kennt und mit dem er die Arbeit in der Landwirtschaft als das erlebt hat, was sie ist. Man muss sich ihr hingeben mit aller Zeit und Aufmerksamkeit. Sein Vater und Gabriele haben von Beginn an eng zusammen gearbeitet, so dass die Tenuta Cavasecca in ihrer wiederauferstandenen Form auch stark von Gabriele und seinem Wissen um die Olivenbäume geprägt ist.
Die Secolari – jahrhundertealte Zeitzeugen
Der große Schatz der Tenuta sind die Secolari, Olivenbäume, die über 500 Jahre alt sind. Von ihnen gibt es auf dem ganzen Besitz verstreut 800 bis 1000. Es sind Bäume der Sorte Siracusana, die rund um Siracusa wachsen und besonders harmonische Öle hervorbringen. Das Siracusana-Öl wird momentan ausschließlich von den Oliven dieser Bäume gewonnen.
Dario hat bereits neue Anpflanzungen vorgenommen, die mit den Reisern der Secolari veredelt wurden. In zwei bis drei Jahren kann man von ihnen die ersten Oliven ernten. „Sie sind so majestätisch, diese alten Bäume. Ich hoffe, die nachwachsenden werden es auch, deshalb haben wir die Abstände großzügig bemessen.“ Da denkt jemand ganz weit in die Zukunft.
Tolles Team: Olivenbauer und Ölmühle
Sie beginnen um sechs Uhr morgens, wenn es noch kühl ist, und Dario fährt die Ernte am frühen Nachmittag in seine präferierte Ölmühle, die Frantoi Covato bei Ragusa. Ich fahre mit auf den engen, kurvigen Straßen ins Gebirge, über eine Stunde lang. Dort angekommen empfangen uns die Brüder Giuseppe und Orazio. Sie sind Verbündete von Dario in seinem Qualitätsstreben. Schon bevor er ankommt, haben sie die Abläufe organisiert. Seine Oliven werden erst gemahlen, wenn zuvor ein qualitätsbewusster Bio-Bauer seine grünen Oliven dort hat pressen lassen. Für die zertifizierten Oliven gibt es eine eigene Produktionslinie. Bevor die gewaschenen Oliven in die Presse gehen sammelt Dario noch die letzten verbliebenen Steinchen und Blätter heraus. Ich helfe ihm und bin erstaunt, was alles noch zwischen den Oliven zu finden ist. Wenn sein Öl dann in das Becken fließt, hat Dario auch das noch einmal mit Tüchern von den vorherigen Ölresten gereinigt, damit später wirklich 100 % Cavasecca in die Flaschen kommt. Von den Älteren wird er dafür belächelt, aber die Ölmüller sind auf seiner Seite. Im knatternden Lärm der Mühle stehen Dario und Giuseppe eng zusammen und sprechen angeregt über die Ernte, Technik und die Temperaturen. Bis zu 27 Grad sind erlaubt für extra vergine. Dario hat sich für 24 bis 25 Grad entschieden. Wieder wird die Ausbeute geringer. Sie beträgt nur 10 %. Am frühen Abend kehren wir mit dem Öl zurück. Es wird in der Tenuta gefiltert. Auch da haben ihm die Brüder Ratschläge gegeben, zum Beispiel, welches Filterpapier das Beste sein könnte. Hier wird ein neues Netzwerk gesponnen und an Qualität gearbeitet.
Offen und genussfreudig
Bevor wir in einem der wunderbaren sizilianischen Restaurants und Trattorien zu Abend essen, deren Wirte und Freunde des Paares treffen, trinken wir noch einen Aperitivo in der Küche. Dort reihen sich Flasche an Flasche sizilianische, toskanische und spanische Olivenöle. „Mein Vater wäre irritiert. Für ihn ist unser Olivenöl das beste.“ Dario dagegen ist neu- und wissbegierig, aber ich kann seinem Vater gerade nicht widersprechen, weil das Olivenöl der Tenuta Cavasecca mich so sehr überzeugt.