Wir treffen Elena, inzwischen Chefin und mit Stefano Silvola verheiratet, dem Besitzer der bekannten Schokoladenmanufaktur Sorrisi. Im Piemont der süßen Gebäcke und raffinierten Pralinen sind sie ein Traumpaar. Elena und ihr Mann haben die beiden Traditionsbetriebe zusammengeführt und ein neues, modernes Gebäude bezogen.
Wir hatten uns gewünscht, einen Blick in die Bäckerei zu werfen, um zu verstehen, wie diese besondere Panettonequalität entsteht. Und wieder ein Novum: Elena öffnete zum ersten Mal in der Geschichte von Boella die Backstube für uns.
Region
Piemont
stadt
Turin
Auszeichnungen
Maestri del Gusto 2017-18, Maestri del Gusto 2019-20, Maestri del Gusto 2021-22
Im großzügigen, gut besuchten neuen Verkaufsraum wählen in der Vorweihnachtszeit alljährlich viele Turiner einen schimmernden, in Glanzfolie verpackten Panettone aus. Der Duft von frischer Hefe und warmem Gebäck zieht durch die geschlossene Flügeltür von der Bäckerei in den Laden. Ein Mann wartet davor mit nervösem Blick. Marco wird für die nächsten paar Stunden unser Guide auf der Reise durch das Panettoneland sein und uns zeigen, welchen Weg die Kuchen gehen, bis sie zu uns nach Göttingen gelangen.
Nach den ersten paar Metern in der Produktion wird uns bereits klar: Hier zählen die Menschen und ihre Erfahrung. Zeit ist der alles bestimmende Faktor bei Boella. Per Definition sind sie zwar ein moderner Betrieb, doch anders als bei typisch kommerzieller Produktion gilt für die Herstellung ihrer Panettone Geduld, Natürlichkeit und Handarbeit. Maschinen sollen nicht die Arbeit übernehmen, sondern erleichtern. Die Erfahrungswerte der Mitarbeiter können durch keine Maschine ersetzt werden. Und dieses lebende Produkt ist somit „immer ein wenig anders aber immer gleich gut“.
Ein Hefewolkengebirge aus Weizensauerteig sitzt seit 72 Stunden in seiner Form und wartet auf den großen Moment. Der Mutterteig, der Basisansatz, ist noch aus den 50er Jahren und wer hier Hefemeister werden möchte, der braucht einen langen Atem. Der jetzige Wächter des Teiges hat erst vor Kurzem diese Pflicht übernommen. Zuvor hatte er jahrelang seinem Vorgänger assistiert. Er schließt schützend einen Arm um das wertvolle Gut, und obwohl er dabei lacht, ist uns allen klar, dass wenn wir diesen Teig berührten, wir seinen heiligen Zorn zu spüren bekämen.
In der überdimensionalen Rührschüssel vermengen sich nach und nach die Zutaten und immer wieder pikst ein Bäcker in den Teig. Sein Gefühl und die langjährige Erfahrung sagen ihm, wann die Konsistenz perfekt und es Zeit für die nächste Zutat ist. Gearbeitet wird so geschmacksschonend wie möglich. Der Verzicht auf Konservierungsstoffe und künstliche Aromen ist es, der dieses hausgemachte Gefühl in den Panettone bringt.
Zwischen den großen Maschinen mit ihren technologisierten Prozessen sind viele Mitarbeiter unterwegs durch Reihen riesiger Mehlsäcke, aufgetürmten Teigbehältnissen und scheinbar endlosen Regalen voller Panettone. Fertige Teigkugeln schrauben sich auf einem Fließband hoch unter der Decke, große Hände heben sie mit einer Luft einschließenden Drehbewegung behutsam auf und legen sie in ihre Pappbetten. Auf langen Holzplanken geht es für die nächsten 6-7 Stunden bei rund 30 Grad in einen Wärmeschrank und nach dem Gehen beginnt der behutsame Backprozess. Überraschenderweise verlassen die kuppelförmigen Kuchen den Ofen kopfüber und so finden wir uns unter einem surrealen Gewölbe aus Panettone wieder.
Jetzt können wir endlich selbst Hand anlegen. Wir helfen den sympathischen Frauen, die gebackenen Panettone in das weiß-rote, weiß-schwarze und weiß-grüne Viani-Papier einzuschlagen und das Pandoro, die flache, blumenförmige Spezialität mit Gianduiacreme, hübsch einzuschnüren. Milly Boella schenkt ihn uns und wir fühlen uns wie Turiner, als wir mit dem Päckchen schwenkend wieder auf der Straße stehen.